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Im Archiv: Hausaufgaben - kindgerecht oder Schikane?
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Hausaufgaben können den Schulerfolg verbessern oder zu mittleren Familiendramen führen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber die aktuelle Diskussion zeigt, wie kontrovers über das Thema geschrieben wird.
Da ist eine eher bildungsferne Familie, wo der 14-jährige Marc nach der Schule nicht gefragt wird, ob er denn Hausaufgaben habe. In der Stube ist ein Vorabendquiz zu sehen, im Zimmer des Jugendlichen läuft die Spielkonsole in den nächsten drei Stunden auf Hochtouren und aus dem Zimmer der beiden jüngeren Geschwister dröhnt ein Bass in voller Lautstärke. Das geht fast den ganzen Abend so, unterbrochen von individueller Verpflegung in der Küche. Und die Hausaufgaben? Sie werden im besten Fall zwischen all den vielen medialen Aktivitäten noch rasch erledigt oder am Morgen vor der Schule von einem Kollegen abgeschrieben.
Ganz anders in einem bildungsnahen Milieu. „Hast du die Aufgaben schon gemacht?“, ist eine der ersten Fragen der Mutter, wenn Mirjam nach Hause kommt. Die Zwölfjährige verzieht sich in ihr Studio und macht sich an die Aufgaben. Wenn nicht gerade ein Aufsatz geschrieben werden muss, darf die Tochter eine leise Hintergrundmusik einstellen. Die Aufgaben sind abwechslungsreich und unkompliziert. Nach ein paar Trainingsaufgaben im Rechnen liest die Tochter einen Text und streicht sich die zentralen Aussagen an. Ganz am Schluss geht’s an Zeichnen in der Geografie. Diese Aufgabe empfindet Mirjam als kreative Herausforderung, die sie nicht missen möchte. Sie merkt erst, dass viel Zeit vergangen ist, als die Mutter zum Nachtessen ruft.
Die Einstellung der beiden Jugendlichen zu den ausserschulischen Pflichten könnte nicht unterschiedlicher sein. Hausaufgaben lösen meist keine grosse Begeisterung aus. Aber würden sie ihren Zweck nicht besser erfüllen, wenn sie etwas abwechslungsreicher wären?
Dazu drei Leitfragen: 1. Soll die Schule aus Gründen der Chancengleichheit auf Hausaufgaben verzichten? 2. Welche Arten von Hausaufgaben unterstützen das Lernen am besten? 3. Kann mit einer organisierten Aufgabenhilfe die Chancenungleichheit beseitigt werden?
Der Moderator weist richtig auf die Unterschiede des sozialen Umfelds unserer Schüler hin. Wir können dieses nicht beeinflussen, d.h. wie sorgfältig sie ihre Aufgaben machen, bleibt letztendlich ausserhalb unserer Kontrolle. In dieser Situation haben wir zwei Möglichkeiten:
1. Wir machen weiter wie bisher, der Nutzen für die Schüler bleibt gering (falls überhaupt messbar) und wir ärgern uns angesichts des fragwürdigen Aufwands. 2. Wir versuchen, die Attraktivität der Hausaufgaben zu erhöhen. Wie soll das aber geschehen?
Als Legitimation für Hausaufgaben wird oft „Vertiefung des Stoffs“ genannt. In der Praxis heisst dies dann, Lösen von Aufgaben im Arbeitsbuch. Es handelt sich dabei um dieselbe Art von Aufträgen, die schon in der Schule gelöst werden. Sie sind oft monoton, relativ zeitaufwendig und relativ anforderungslos. Der Lehrer bietet den Schülern dazu Durchhalteparolen an wie: „Ohne Fleiss kein Preis“ oder „Üben ist das A und O“. Wenn viele Schüler unsorgfältig arbeiten, dann hat dies eben auch mit der Art der Aufgabenstellung zu tun. Verstehen wir uns richtig: Üben ist wichtig, der richtige Ort dafür ist aber die Schule. Gerade angesichts der eingangs geschilderten Ungleichheiten wäre es fahrlässig, wichtige Elemente des Lernprozesses vollständig ausserhalb der Kontrolle des Lehrers ablaufen zu lassen. Die Frage nach dem Sinn der Hausaufgaben ist dann legitim, wenn sie einfach als verlängertes Schulpensum interpretiert werden.
Hausaufgaben haben aber ihre Berechtigung, wenn sie mit konkreten pädagogischen Zielen verbunden sind. Es können Trümpfe ausgespielt werden, die in der Schule nicht zum Zug kommen: Die Schüler arbeiten in ihrem eigenen Tempo, sie erhalten mehr Mitbestimmung über ihr Lernen, sie haben ihren eigenen effizient ausgerüsteten Computer-Arbeitsplatz. Wir können also mit Hausaufgaben gezielt die Autonomie der Lernenden fördern. Konkret: Wir bieten den Schülern Auswahlmöglichkeiten, sie gestalten selbst (Text, Bild, Foto, Audio-Aufnahme), sie sind aktiv (Webquests, Lesen, TV-Spots). Anstatt, dass alle dasselbe tun, erlauben die Hausaufgaben persönliche Auseinandersetzung mit dem Stoff. Damit bieten wir den Schülern alternative Lernmöglichkeiten, welche gleichzeitig individuell und kreativ sind.
1.) Chancen zu nehmen, heißt die Situation zu verschlechtern. Die Menschen unterscheiden sich bei gleichen Chancen darin, dass sie diese unterschiedlich nutzen. Wer die Hausaufgaben abschaffen möchte, schlägt sich auf die Seite der Theoretiker, die seit den 90er Jahren die Schule durch Reformen zerstören. Vielleicht sollte man sich nach 40 Jahren kreativer Schulpannen darauf besinnen, welche Elemente der "Alten Schule" zum Erfolg verholfen haben.
2.) Wichtig sind Hausaufgaben, die den Schülern eine geistige Leistung abverlangen. Aufgaben, von denen der Schüler von vorn herein weiß, dass es nur eine Fleissaufgabe ist, sie zu lösen, geben ihm (mit Recht?) das Gefühl, seiner Zeit bestohlen zu werden. Die Schüler müssen ihre Fähigkeiten und ihre Grenzen kennenlernen. (Dabei will ich aber die Hausaufgabe als Übungsaufgabe nicht verteufeln).
Wie wichtig ist das Erfahren eigener Leistungsgrenzen für die Integration in die Gesellschaft?
3.) Mir erscheint eine Hausaufgabenhilfe (besser) Hausaufgabenbetreuung sinnvoll, wenn sie sich darauf beschränkt, eine Lernumgebung zu schaffen und allgemeine, nicht verstandene Zusammenhänge nochmals zu erklären. Die Aufgaben muss der Schüler schlußendlich alleine bearbeiten und damit auch verantworten. Der "Hausaufgabenhelfer" darf beim Lösen der Hausaufgaben m.E. gerade nicht helfen.