Alle bisher zu dieser These geschriebenen Beiträge stammen von SEK-Lehrern. Bisher war ich der Meinung - als langjähriger Mittel- und jetzt Unterstufenlehrer - die emotionale Bindung wäre so einzustufen: je jünger das Kind, desto mehr Gewicht müsste auf diesen Aspekt gelegt werden. Somit wiegt für mich die Aussage von A. Guggenbühl umso zentraler. Jetzt muss ich nur neue Rezepte erhalten, wie ich in meiner Unterstufenklasse diese emotionale Bildung auf ein höheres Niveau bringen kann, wenn die Kinder nur noch einen wesentlich kleineren Teil der zur Verfügung stehenden Zeit bei mir verbringen als früher.

USrik's Hinweis ist in zweierlei Hinsicht interessant:
Erstens weist er auf die zunehmende organisatorische Aufteilung des Unterrichtes bereits auf der Unterstufe hin und spürt dabei bereits die Probleme bezüglich Beziehungsaufbau. Da verschiedene gesellschaftliche Bedürfnisse und schulorganisatorische Gegebenheiten den Bildungsalltag noch weiter Richtung Kleinpensen drängen, hört man oft als Befreiungsschlag den Spruch "besser eine Beziehung kurz, dafür intensiv". A. Guggenbühl weist aber deutlich darauf hin, dass Beziehung auch heute noch Zeit braucht und dass eine Schule in erster Linie kind- und nicht erwachsenengerecht sein muss.
Zweitens stellt USrik fest, dass bis jetzt die Ansicht verbreitet war, je älter desto "beziehungsloser". Die Schülerinnen und Schüler der Sekstufe I sind aber in der Pubertät. Sie sind intensiv am Suchen nach sich. So wirken sie gegen aussen manchmal äusserst selbstsicher. Sie probieren sich aus und sind dabei aber sehr unsicher und verletzlich. Deshalb brauchen sie gerade auch in dieser Zeit eine Beziehung, die trägt, wenn man denn wieder mal fällt.

Die zunehmende Aufsplitterung der Sch.-Betreuung auf LP, Fach-LP, Therapeutinnen... erfolgt im gleichen Zeitalter, in dem immer mehr völlig beziehungsunfähige Kinder die Schulpflicht (Kindergarteneintritt) erreichen. Sie haben in den ersten Lebensjahren bis zum Kindergarten nicht gelernt, was es heisst, jemandem zuzuhören, jemandem etwas zu erzählen, eine Anweisung zu befolgen, sich auf ein Spiel zu konzentrieren, einen Menschen beim Gespräch anzuschauen, ein eigenes Bedürfnis auf angemessene Art zu äussern.

Jetzt erlebe ich einen Kindergarten, in dem es für die Kindergärtnerin absolut unmöglich ist, zu drei oder vier Knaben eine Beziehung herzustellen. Sie rennen einander stundenlang nach, schreien fast ununterbrochen, schlagen sich alle möglichen Gegenstände auf den Kopf, werfen alles, was sie erreichen können im Kindergarten umher, und wenn die Tür nicht abgeschlossen wäre, würden sie davonrennen.

Dieser Kindergarten hat bereits die an anderer Stelle erwähnten 150 Stellenprozente zugesprochen erhalten. Die Klassenassistentin hält die erwähnten Knaben einigermassen in Schach, während die Kindergärtnerin versucht, mit den anderen Kindern eine tragfähige Beziehung aufzubauen und sie altersgemäss mit verschiedensten Spiel-, Lern- und Gesprächsformen zu fördern. Manchmal muss sie dafür in einen anderen Raum ausweichen.

Unter den geschilderten Umständen ist es sehr fragwürdig, das Pensum der Kindergärtnerin - wie heute leider oft üblich - auf zwei Personen zu verteilen. Jene Kinder, die endlich dazu fähig sind, eine Beziehung aufzubauen, müssen während der ganzen Woche das gleiche Gegenüber erleben, sonst schaffen sie diesen dringend nötigen Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung nicht, und Kinder mit gescheiterter Sozialisation treten in die Primarschule ein.