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Theorie und Illusion der Integration - Mehrbelastung der Klassenlehrkräfte
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Theorie und Illusion – Mehrbelastung der Klassenlehrkräfte Bei genauerer Betrachtung aber erweist sich dieser rigorose Einschnitt in unser Schulsystem sehr bald als Theorie und Illusion. Der Aufwand für die Normalklassen-Lehrpersonen wird enorm. Die Ausarbeitung von Spezialprogrammen für integrierte Kinder, die ständigen Absprachen mit Therapeuten und Förderlehrern, das laufende Erstellen von Berichten usw. erfordern einen Riesenaufwand und tragen sicher nicht zur Berufsfreude der Lehrerinnen und Lehrer bei – und das alles nur für Einzelne! Ganz abgesehen davon, dass die Verfügbarkeit von ausgebildetem Therapiepersonal weit unter dem effektiven Bedarf liegt, geht selbstverständlich die Mehrbelastung der Klassenlehrer an andern Orten ab. Bei der Förderung der „normalen“ und überdurchschnittlich begabten Kinder erfolgen zwangsläufig Abstriche, aber auch die ganze Organisation leidet und das Leistungsniveau der Klasse sinkt. Dafür hält eine wirkliche Ungerechtigkeit Einzug in die Schulhäuser. Lehrkräfte und deren Klassen, die keine Integrierten übernehmen müssen, sind viel besser dran als andere, welche mit schwachen und störenden Kindern ihre liebe Mühe haben. (asu dem Leitartikel von Hans-Peter Köhli)
Ich habe erlebt, was es bedeutet, wenn der Tagesrhythmus geprägt ist von wechselnden, dazukommenden und weggehenden Lehrpersonen. Die Unruhe die entsteht wirkt sich auf die ganze Atmosphäre und das Lernklima aus. Diese Unruhe braucht sehr viel Energie, sowohl von der Lehrperson als auch von den Kindern. Die Tage ohne solche Störungen erlebe ich als viel konzentrierter und ruhiger und dies in allen Bereichen.
Die ganze Integrationszwängerei hat genau einen guten Grund: Die sogenannt fehlenden Finanzen der IV. Doch es ist mehr als ein Spiel mit dem Feuer, wegen dieses Engpasses die Qualität unseres Bildungssystems in abenteuerlicher Art und Weise zu gefährden. Dazu kommt, dass die dann zwangsintegrierten Kinder oft alles andere als integriert sind. Ihre mögliche und wahrscheinliche Separation beginnt mit der Integration erst recht. Das steht nirgends auf den pädagogischen Hochglanzprospekten, die die Integration über alle vier Kleeblätter loben. Doch viele Lehrpersonen, Eltern und betroffene Kinder können davon ein trauriges Lied singen. Es gibt sie, diese Momente der Erfüllung, wenn ein behindertes Kind mit seinem unverbrauchten Lachen die sogenannt "normalen" Schülerinnen und Schüler berührt. Doch diese Rührung darf uns nicht über das hinweg sehen lassen, was mit der geplanten Maximalintegration auch noch mit aufgerührt wird. Dieser Sauerteig wird am Schluss niemandem munden.
Als Mutter eines Kindes mit minimaler Cerebralparese habe ich mich kürzlich betreffend allfälliger Rückstellung um ein Jahr für den Kindergarteneintritt informiert. Im Gesetz steht explizit, dass Kinder mit einer (körperlichen) Behinderung nicht vom Obligatorium befreit werden; will heissen, dass eine Behinderung kein hinreichender Grund für ein Rückstellungsgewähren ist!... Na, danke! Da wird man als Eltern eines behinderten Kindes ja zwangsentmündigt...
Und was meinen die betroffenen Lehrkräfte dazu, dass permanent am Bildungsmodell herumgeschräubelt wird? Etwas mehr Ruhe und Kontinuität wären wichtiger, als kurzftistige Spareffekte um jeden Preis.
Ich sehe hier keine Spareffekte. Je komplexer eine Organisation wird, desto ineffizienter ist sie. Die heutige Volksschule hat ihren Effizienz-Peak bereits überschritten. Die Bildungsreformer haben die Ziele der Volksschule - Bildung und Erziehung - längst aus den Augen verloren. Beides, Bildung und Erziehung, brauchen als Treibstoff Be-Ziehung. Diese lässt sich in hochstrukturierten Schulen nicht mehr erreichen.
Ich warte schon lange auf das neue Schulfach "Beziehungslehre". Und das Schlimmste an allem: Das Berufsbild der Lehrpersonen wird derart durch den Wolf gedreht und unkenntlich gemacht, dass es an Attraktivität zunehmend einbüsst. Und das kommt unsere Schule teuer zu stehen.