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Umstrittene Lehrerbildung - Leserbrief in der NZZamSonntag 14. Nov. 2010 - 2
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Seit die Lehrerbildung im Kanton Zürich vor gut sieben Jahren in der Pädagogischen Hochschule zusammengeschlossen wurde, hat sich der Anteil an berufspraktischer Ausbildung für die Studierenden stetig erhöht. Mittlerweile leisten Studentinnen und Studenten der PH Zürich ein Viertel ihrer gesamten Ausbildung in Schulen, wo sie selber unterrichten und Erfahrungen sammeln.
Diese Erfahrungen werden an der PH Zürich ausgewertet und mit aktuellem Theoriewissen verknüpft. Dies ermöglicht den Studentinnen und Studenten, ihren Unterricht und ihren Lernerfolg laufend zu überprüfen und die geforderten Kompetenzen zu erwerben. Forschungen zeigen, dass die angehenden Lehrkräfte am Ende ihrer Ausbildung die geforderten Kompetenzen tatsächlich erreicht haben. Kompetenzen, die es Lehrerinnen und Lehrern erlauben, sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen konstruktiv auseinanderzusetzen und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.
Eine Medizinstudentin ist nach ihrem Abschluss noch nicht die exzellente Chirurgin, die sie am Ende ihrer Karriere einmal sein wird, aber sie verfügt über alle fachlichen Kompetenzen, dies zu erreichen. Genauso sind Abgänger von Pädagogischen Hochschulen noch nicht perfekte Lehrerinnen und Lehrer, doch sie sind perfekt ausgebildet, um guten Unterricht zu gestalten und sich und die Schule weiterzuentwickeln. Auch die PH Zürich entwickelt sich weiter. Als Hochschule hat sie per Gesetz einen vierfachen Leistungsauftrag: Ausbildung, Weiterbildung, angewandte Forschung und Dienstleistungen für das Schulfeld.
Dies nimmt die PH Zürich in die Pflicht, Lehrpersonen gut auszubilden, gleichzeitig aber auch die Qualität dieser Aus- und Weiterbildung laufend zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Dazu dient die angewandte Forschung. Sie nimmt aktuelle Fragen und Probleme aus dem Schulfeld auf, erarbeitet Lösungen und trägt diese zurück in die Schule. Die Forschung dient also in erster Linie der Praxis und den Anliegen aus der Praxis.
Walter Bircher, Rektor der Pädagogischen Hochschule (PH) Zürich
Dass sich die PH endlich regt, ist grundsätzlich positiv zu werten. Trotzdem seien einige Bemerkungen zum Leserbrief erlaubt.
Durch die Aufstockung des Praxisanteils in der Lehrerbildung auf 1/4 hat man offensichtlich einen Lernprozess hinter sich. Allerdings sind bei den Verknüpfungen mit aktuellem Theoriewissen grosse Zweifel angebracht. Mühe habe ich auch mit den internen Forschungsergebnissen, die belegen sollen, dass die Lehrkräfte die geforderten Kompetenzen erreicht hätten. Die Erfahrungen vor Ort ergeben ein ganz anderes Bild. Wenn man dann allerdings lesen muss, um welche Kompetenzen es sich dabei handelt, macht sich Staunen breit. Was für ein Pädagogenhimmel ist denn diese PH geworden!! Lehrpersonen müssen nicht in erster Linie durch Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen zukunftsfähige Lösungen entwickeln (was für ein Gesause). Sie müssen mit ihren Klassen durch guten Unterricht und angemessene Führung die Lernziele erreichen, gestern, heute und auch in Zukunft.
Und nun zu den Chirurgen: Es trifft zu, dass die Exzellenz mit der Erfahrung kommt. Währenddem die Chirurgen im Verlauf ihrer Praxistätigkeit gezielt darauf hinarbeiten, ist die Lehrerausbildung exakt darauf ausgerichtet, die Exzellenz zu verhindern. Lehrer sein über einen längeren Zeitraum ist ja geradezu verpönt. Deshalb hat man die eigenständige Lehrerausbildung auch abgeschafft, sie muss in den akademischen Raster passen und verhindert auf längere Sicht genau das, was wir brauchen: exzellente Lehrerinnen und Lehrer (siehe auch Verweildauer in diesem Beruf).
Und ein letzter Gedanke zum Leistungsauftrag: Entweder er ist zu weit gefasst oder aber die PH setzt falsche Prioritäten. Mein Vorschlag: 1. Ausbildung 2. Weiterbildung 3. von mir aus Forschung 4. weitere Dienstleistungen, wenn noch Ressourcen bleiben.
In einem "Gedanken-Papier" eines erfahrenen Lehrerkollegen lese ich folgendes:
"Wenn ich Ausbildungschef PH wäre, würde ich eine breitere methodisch-didaktische Ausbildung zu Lasten der akademischen Ausbildung bevorzugen. Hier sind die hauptsächlichen Belastungen der jungen Lehrpersonen zu orten. Einige Lehrmittel verlangen überdies zu viel Vorbereitungsaufwand. Dies fällt bei den PHZH-Abgängern ins Gewicht, besonders in den Fächern, die sie erteilen müssen ohne dafür ausgebildet zu sein."
Offensichtlich scheitern viele der jungen Leute, die der Kollege als hoch motiviert schildert, an einer Ausbildung, die nicht auf die Praxis ausgerichtet ist.